Den Kunden Ambiente und Service bieten
Susan Carol Holland ist die fünfte Preisträgerin des „Hear for Life Award”, der für herausragende wissenschaftliche und unternehmerische Leistungen in der Hörakustik-Branche durch unsere Redaktion vergeben wird. Wir sprachen mit ihr über Amplifon und ihr Lebenswerk.
Mrs. Holland, Ihr Vater, der legendäre Algernon Charles Holland (1919-2001), war der Gründer der Firma Amplifon. Als junger Mann war er Radiotechniker und diente als Hauptmann in einer Spezialeinheit der Britischen Armee. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog er 1948 nach Italien und gründete dort eine Firma in Mailand, die er EL.IT nannte, was für Elettronica Italiana stand. Mit dieser Firma vertrieb er zunächst Audiometer und Hörgeräte des amerikanischen Herstellers MAICO. Mit seinen Kenntnissen als Radiotechniker und Händler von audiologischen Produkten begann er, selber Audiometer zu produzieren und Hörgeräte auch anderer Hersteller zu importieren. Schon bald, nämlich 1950, machte er mit der Gründung der Amplifon SpA einen großen Schritt vorwärts. Was für ein Mann war Ihr Vater?
Er war eine etwas reservierte aber zugleich auch charismatische Persönlichkeit, die Vertrauen vermittelte und Menschen dazu brachte, für dieselben Ziele zu arbeiten. Er war sehr fair und hatte sehr viel Sinn für Gerechtigkeit. Er behandelte alle Menschen gleich, beim Militär vom Hauptmann bis zum einfachen Soldaten, als Inhaber von Amplifon vom HNO-Arzt bis zum Angestellten. Er kannte jeden beim Namen und erinnerte stets das letzte Gespräch mit dem bzw. der Betreffenden, was ein Ausdruck höchster Aufmerksamkeit war. Er hatte einen großen Erfindergeist und war immer auf der Suche nach den neuesten Technologien und Arbeitsabläufen. So war er der erste in Italien, der das Direct Mailing als Marketinginstrument nutzte. Alle diese Qualitäten haben dazu beigetragen, die Firma Amplifon zu gründen und voranzubringen.
In den folgenden Jahren etablierte er zwei Tochtergesellschaften: 1962 Amplimedical und 1969 Amplaid. Was waren das für Firmen?
Mit der einen vertrieb er diagnostische Instrumente, mit der anderen stellte er Audiometer und Software für HNO-Ärzte her.
Was war der Grund für Ihren Vater, in diese benachbarten Geschäftsgebiete zu investieren?
Er war ein Unternehmer aus Leidenschaft und hatte Freude daran, neue Möglichkeiten zu erkunden, also zum Beispiel die Fabrikation von Audiometern. Er war übrigens auch der erste, der digitale Hörgeräte in Italien einführte.
Hatte er eine besondere Motivation Hörgeräte zu verkaufen?
Am Ende des Zweiten Weltkriegs begann er Audiometer zu bauen und zu vertreiben, wobei er seine Erfahrungen nutzen konnte, die er als Funker während des Krieges gemacht hatte. Er hatte erlebt, wie stark das Hörvermögen der Soldaten und Offiziere durch den Krieg geschädigt werden konnte. Das hatte ihn auf die Idee gebracht, seinen Kameraden zu helfen, wieder besser zu hören, und ein Geschäftsmodell daraus zu machen. Zunächst baute er gute Beziehungen zu den HNO-Ärzten auf, um dann in einem zweiten Schritt Hörgeräte für den italienischen Markt zu importieren.
1971 gründete er das „Centre for Research and Study“. Was war seine Mission?
Das Amplifon Centre for Research and Study – kurz CRS – ist eine unabhängige Organisation unter Vorsitz eines ebenfalls unabhängigen wissenschaftlichen Komitees, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Wissen auf den Gebieten Audiologie und Otologie zu erweitern und zu verbreiten. Das Komitee erstellt jedes Jahr ein Programm, bestehend aus Initiativen, Auszeichnungen und wissenschaftlichen Arbeiten mit den Schwerpunkten Forschung, Weiterbildung von Ärzten und Audiologen und der Organisation von Fortbildungen und Konferenzen in Zusammenarbeit mit italienischen und ausländischen Universitäten. Das CRS unterhält im Übrigen eine exzellente Bibliothek für die Bereiche Audiologie und Otorhinolaryngologie.
Nachdem Sie Psychologie, Soziologie und Sprachtherapie an Universitäten in England und Italien studiert hatten, kamen Sie 1983 in die Firma und übernahmen verschiedene Positionen im Marketing. 1988 rückten Sie in den Vorstand auf, 1993 wurden Sie stellvertretende Vorstands-Vorsitzende und 2011 Vorsitzende des Vorstands. Was ist heute ihre Position im Unternehmen?
Ich bin zurzeit Vorsitzende des Vorstands und beschäftige mich zusammen mit einigen anderen Vorstandskollegen besonders mit den Themen Strategie und Finanzen.
Worin bestehen Ihre Leistungen für das Unternehmen?
Seit 1983 habe ich Amplifon von einem auf Italien beschränkten zu einem multinationalen Unternehmen weiterentwickelt, das nunmehr in 22 Ländern präsent ist und weltweit für professionelle Exzellenz steht. Wir betreiben 9.000 Fachgeschäfte und Service Points. 2001 wurde Amplifon an der Mailänder Börse gelistet und 2015 durchbrachen wir die Schallmauer von 1 Milliarde Euro Umsatz, was 850.000 verkauften Hörgeräte entspricht. Nicht zuletzt beschäftigen wir weltweit 11.000 Menschen.
Ihre Familie hält 53% der Unternehmensanteile, somit kann Amplifon als Familienunternehmen gelten. Generell kann man wohl sagen, dass dieses Geschäftsmodell nach wie vor gut funktioniert. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wir sind so erfolgreich, weil wir unsere Innovationskraft auf unser Servicemodell konzentrieren und weil wir uns auf diesem Gebiet bemühen, in jedem unserer Geschäfte exzellent zu sein. Unser neues Servicemodell heißt „Amplifon 360˚ Experience“ und es beabsichtigt, unseren Kunden im Geschäft ein Ambiente und einen Service zu bieten, den sie nicht erwartet haben. Ziel ist natürlich, Ihnen möglichst perfekte Hörlösungen anzubieten. Das ist nur möglich durch permanente Investitionen in die Ausbildung unseres Personals. Das ist der Schlüssel, unseren Kunden das bestmögliche Betreuungserlebnis anbieten zu können.
Ihre Mutter Anna Maria Formiggini-Holland spielte ebenfalls eine wichtige Rolle im Unternehmen seit dessen Gründung. Wie geht es ihr?
Obwohl meine Mutter sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat, bekleidet sie immer noch die Position der Ehrenvorsitzenden und wird regelmäßig über die Entwicklung des Unternehmens informiert.
Welche Ziele hat sich Amplifon für die Zukunft gesetzt?
Wir wollen weiter wachsen, hauptsächlich in den USA, in Deutschland, Frankreich und Spanien. Und wir wollen den Menschen helfen, besser zu hören. Um das erreichen zu können, wollen wir die Kommunikation mit unseren Kunden verbessern. Das tun wir durch unseren neuen Markenauftritt, unsere Investitionen in das digitale Marketing und in ein fortschrittliches Customer-Relations-Management. Und natürlich haben wir weiterhin unser Personal fest im Blick, das unsere wertvollste Ressource ist.
Mrs. Holland, wir beglückwünschen Sie zum „Hear for Life Award“, mit dem Sie, Ihre Mutter und posthum auch Ihr Vater geehrt werden.
Bisherige Preisträger des „Hear for Life Award“
2010: Erik Westermann / Copenhagen / Denmark
2011: Prof. Dr. Roland Laszig / Freiburg / Germany
2013: William F. Austin / Minneapolis /USA
2014: Prof. Dr. Graeme Clark / Sydney / Australia
2016: Susan Carol Holland / Milan / Italy