Sivantos GmbH-Geschäftsführer Christian Honsig über die neue Signia-Plattform „Xperience”
Signia hält das Tempo weiter hoch. Im Rahmen des 64. Internationalen Hörakustiker-Kongresses präsentierte der Hersteller seine neue Plattform „Xperience“ sowie darauf basierende RIC-Hörsysteme im 7er, 5er und 3er Preispunkt – sowohl mit Batterie als auch mit Akku.
Dazu kommt das obligatorische sDemo-Gerät. Im Gespräch erläutert Signia Deutschland Geschäftsführer Christian Honsig die Neuheiten, gibt Auskunft über die Zusammenarbeit mit dem neuen Testimonial Miroslav Nemec und berichtet vom Stand der Dinge bei WS Audiology.
Herr Honsig, welche Erwartungen hatten Sie bzw. Signia im Vorfeld an den Auftritt auf der Industrieausstellung zum EUHA-Kongress hier in Nürnberg?
Für uns ist das ein Heimspiel. Wir konnten hier mit „Xperience“ unsere neue Plattform zeigen, die auch von unserer Entwicklungsabteilung in Erlangen sehr massiv vorangetrieben wurde. Damit sind wir nun, nach „primax“, „binax“ und „Nx“, in der vierten X-Generation. Dass das außerdem in das Jahr der Hochzeit mit Widex zu WS Audiology fällt, freut mich umso mehr. Hätte man vorher ein Drehbuch geschrieben, hätte man das schon fast surreal finden können, weil man nicht für möglich gehalten hätte, dass das alles so zusammenpasst und sich bündelt.
Heute ist der letzte Messetag, es ist schon kurz nach 13:00 Uhr, gleich schließt die Industrieausstellung. Wie lautet Ihr Fazit?
Wir hatten zwei tolle Tage auf einem tollen Kongress. In Richtung des neuen EUHA-Präsidiums muss ich klar sagen, dass wir eine extrem hohe Kontinuität und Stabilität erlebt und uns sehr wohl gefühlt haben. Und was Signia betrifft, so haben wir in den vergangenen beiden Monaten viel in die Vorbereitung des „Xperience“-Starts gesteckt. Im Rahmen eines Pre-Launches begannen wir vor vier Wochen mit einer kleinen Gruppe von Akustikern mit den Markttests, um erste Rückmeldungen aus der Praxis zu erhalten. Das Feed- back dieser Gruppe hat uns schon extrem positiv gestimmt, und das hat sich hier nun noch mal verstärkt. Die Story rund im „Xperience“ wird verstanden. Vorne im Eingangsbereich, auf der Zwischenebene, bieten wir die Möglichkeit, hineinzuhören, schließlich sollte man etwas, das wir „Xperience“ nennen, auch erleben können. Nicht nur wir sind happy und beeindruckt, wie die audiologischen aber auch die Hardware-seitigen Innovationen für so einen Sprung nach vorne sorgen.
Um all denen, die nicht die Möglichkeit hatten, in diesem Jahr zum Kongress zu reisen, einen Eindruck zu vermitteln: Was lief bei Ihnen am Messestand?
Für die Inszenierung von „Xperience“ haben wir einen Stand aufgebaut, der einerseits die Innovationen und die Modernität abbildet, andererseits aber auch eine gewisse Konstanz zeigt. Schließlich führen wir auch auf der neuen Plattform verschiedene Signia-Themen wie das Lithium-Ionen-Thema von „Pure Charge&Go“ fort. Darüber hinaus haben wir natürlich unsere Kommunikationsmaterialien auf die neuen Themen angepasst. Zudem haben wir mit Miroslav Nemec ein passendes Testimonial für unsere Kampagne. Er ist ein toller, aktiver Typ, der durch seine Rolle als „Tatort“-Kommissar natürlich sehr bekannt ist, aber der auch Musiker, Schriftsteller und Theaterschauspieler ist. Auf der Kongresseröffnung hat er sich außerdem als Hör-Botschafter vorgestellt. Wir versuchen also, weiterhin sehr breit und mit der Branche zusammen weiter nach vorne zu gehen.
Nun haben Sie die neue Plattform „Xperience“ schon mehrfach erwähnt. Wie fassen Sie die entscheidenden Neuerungen zusammen?
Die Plattform basiert auf ihren Vorgängern und baut damit auch auf allem auf, was diese konnten. Das Revolutionäre ist, dass wir nun erstmals eine Analyse und eine Bewertung von Bewegung für audiologische Zwecke nutzen. Denn bei uns ist – das betone ich immer wieder gerne – die Audiologie das Herzstück. Schließlich haben Menschen, die mit unserer Branche in Kontakt kommen, zu allererst den Wunsch, wieder besser Hören zu können. Das müssen wir bestmöglich bedienen können. Neben der Einbeziehung von Bewegung haben wir es mit „Xperience“ außerdem geschafft, dass man sich nicht mehr zwischen einem gerichteten Hören und der Omni-Direktionalität entscheiden muss. Mit unserer neuen Layer-Technologie, die wir in unserem „Dynamic Soundscape Preocessing“ einsetzen, erzielen wir eine viel präzisere, individuellere Klangwiedergabe, die außerdem noch näher an der Realität des Einzelnen ist – und zwar auch in Bezug auf Bewegung, die uns als Individuen ja auch ausmacht. Menschen sind nicht statisch, sondern dynamisch. Mit der Technologie dahinter, die wir „Your Sound Technology“ nennen ist uns also wieder ein großer Schritt gelungen.
Inwiefern unterscheidet sich die Signalverarbeitung in Layern von der in Kanälen?
Eines vorab: Die Kanäle gibt es natürlich weiterhin. Neu ist hier, dass wir die eingehenden Signale in verschiedene Ebenen splitten, diese Ebenen verarbeiten und später im Ausgang in ein ideales Verhältnis von Stör- und Nutzschall bringen. Damit kombiniert Signia als einziger in der Branche die binaurale Beamforming-Technologie für die Fokussierung auf zusätzliche Gesprächspartner und Direktionalität zur Seite, mit einer Ebene, die die gesamte Hörumgebung berücksichtigt – ob Sprache oder Störgeräusche. Damit haben wir hier nicht mehr eine entweder-oder-, sondern eine und-Verbindung. Möglich wird die durch unseren neuen perfomanten Chip.
Sie kombinieren also einen direktionalen mit einem omnidirektionalen Modus?
Klassisch war es ja so, dass man beim Richtungshören den Nutzschall verstärkt und zeitgleich den Störschall abgesenkt hat. So erlangte man ein klareres Sprachverstehen, worum es natürlich auch weiterhin geht. Nur hat sich das nun auf die nächste Stufe entwickelt. Wir haben jetzt eine Abtastrate von 500 Mal die Sekunde und eine Reaktionszeit von unter zwei Millisekunden, sowohl für den Nutzschall als auch für die Umgebungsgeräusche. Dadurch erreichen wir sowohl räumlich als auch direktional ein noch klareres Hören und Sprachverstehen und kommen so zu einem dynamischeren, persönlicheren Hörerlebnis für jeden.
Und wie erkennen die Hörsysteme, was Nutzschall ist und was nicht?
Bisher hat man immer versucht, die Situationen zu kategorisieren. Aber nun nähern wir uns der Analyse in Echtzeit, so dass wir Hörsituationen schon beinahe prognostizieren können. Auf der „Nx“-Plattform führten wir mit dem Own Voice Processing ein Feature ein, bei dem es um eine höhere Akzeptanz der eigenen Stimme geht. Mit „Xperience“ gehen wir nun den nächsten Schritt, denn sie bezieht die Bewegung des jeweiligen Hörsysteme-Trägers in die Signal-Verarbeitung ein. Damit können Nutzer in jeder Situation hören, was ihnen am wichtigsten ist, und Sprache aus jeder Richtung viel leichter verstehen. Statt einer Kategorisierung geht es nun hin zu einer individualisierten Prognose. In was für einer Situation befinde ich mich? Und was ist für diese die beste Signalverarbeitung?
Hat der in die Hörsysteme eingebaute Sensor einen Einfluss auf deren Größe genommen?
Nein, der Sensor ist für das bloße Auge kaum sichtbar. Die neuen Geräte sind im Gegenteil noch mal kleiner geworden, und zwar bei gleichzeitiger Steigerung der Akku-Kapazität. In puncto Größe sind eher die drei Antennen, die wir in den Geräten verbauen, die Herausforderung, auch wenn der Akku in Verbindung mit dem Lademanagement die größten Bauelemente darstellen. Allerdings sind bei uns nun die Batterie-betriebenen und die Akku-Geräte praktisch gleich klein.
Das heißt, Sie bleiben auch mit den neuen Geräten auf der „Xperience“-Plattform beim induktiven Laden?
Ja. Nur beim „Styletto“ nutzen wir das galvanische Laden. Im Rahmen des Launches unserer neuen Produkte bieten wir auch eine neue Induktiv-Ladestation an, die im Übrigen rückwärts kompatibel ist. Es lassen sich also alle unsere Lithium-Ionen-Geräte darin laden. Durch Rückmeldungen vom deutschen Markt, in denen darum gebeten wurde, das Case in einer Größe anzubieten, in die auch die Otoplastiken hineinpassen, tun wir das nun. Zudem gibt es eine Trocknungsfunktion.
Auch die Signia-App wurde weiterentwickelt …
Wir haben die drei Apps, die wir bisher hatten, vereint. Bei der Nutzung passt sie sich außerdem auf die jeweilige Hörgeräte-Technologie an, so dass der Akustiker das nicht weiter im Auge behalten muss. Es werden also die Möglichkeiten, die ein Gerät bietet, durch die App automatisch zur Verfügung gestellt. An den Einstellungsmöglichkeiten für den Nutzer haben wir dabei nichts verändert.
Im Rahmen des Launches von „Pure Charge&Go“ 2017 hat Signia auch das Thema Hörgeräte-Design hervorgehoben. Mit dem im vergangenen Jahr gelaunchten „Styletto“ haben sie diesem Anspruch ganz besonders Rechnung getragen. Inwiefern greifen die „Xperience“-Hörsysteme das Thema Design weiter auf?
Auch bei den neuen Geräten haben wir natürlich das Thema Designsprache. Die Überschrift ist hier „Xperience“, denn was eine Branche heutzutage auszeichnet, sind die Erlebniswelten, die sie schafft. Hörsystem-Träger sind heute noch in vielen anderen Welten unterwegs, so dass auch unsere Branche ihnen ein Erlebnis anbieten muss. Und das drückt sich bei uns durch mehrere Punkte aus. Einmal natürlich durch die Technologie, aber auch durch die Haptik, die Formsprache und Farbgebung. Und auch wenn das „Styletto“ ein Design-Produkt und damit als eigene Kategorie zu sehen ist, finden Sie bei unseren neuen Geräten einige Stil-Elemente wieder, die wir mit dem „Styletto“ eingeführt haben, wie etwa die neuen Metallic-Farben und -Oberflächen.
Stichwort Konnektivität: Zwei Ihrer Mitbewerber haben vor dem Kongress bekanntgegeben, das ASHA-Protokoll implementiert zu haben. Von Ihnen war diesbezüglich nichts zu hören. Wann werden Sie damit beginnen?
Auch hier bleiben wir unseren Prinzipien und unserer Vier-Säulen-Strategie treu. Die wichtigste ist für uns dabei klar die Audiologie. Danach folgen die Themen Konnektivität, TeleCare und Sensorik. Den Weg über das ASHA-Protokoll sind wir nicht gegangen, weil der neue Bluetooth LowEnergy-Standard schon vor der Tür steht.
Sie hatten eingangs bereits die Hochzeit mit Widex zu WS Audiology erwähnt. Konnte Signia bereits konkreten Nutzen aus der Fusion ziehen?
Zu allererst kann man daraus das sichere und gute Gefühl ziehen, in dem größten R&D-Powerhouse dieser Industrie zu arbeiten. Das wird uns ermöglichen, ein starker, schlagkräftiger Player zu sein, der künftig sicher ganz viele Themen treiben wird. Da ist in jedem Fall etwas Gutes und Großes entstanden, mit viel Tradition auf beiden Seiten und gemeinsamen Interessen. Wenn man schaut, wer da was macht, sehen Sie aber natürlich auch, dass wir weiter getrennte Produktportfolios und Softwares haben. Die Marken Audio Service, Signia und Widex werden also weiter bestehen. Gleichzeitig sind wir aber untereinander sehr transparent und schauen, ob es etwas gibt, das man übernehmen könnte. So hat Widex zum Beispiel eine tolle Lösung für den Filterwechsel an den Hörern – die konnten wir ein paar Wochen später ebenfalls nutzen. Dieses Thema wird da aber sicherlich eine der einfacheren Übungen gewesen sein.
Nun wird die Industrieausstellung in wenigen Minuten ihre Pforten schließen, die Vorträge im Rahmen des „Future Fridays“ laufen noch weiter bis 17:00 Uhr. Wie sehen Sie das Konzept des „Future Fridays“, in den ja auch die großen Hersteller involviert sind?
Die Vorbereitung war eine tolle, neue Zusammenarbeit zwischen EUHA und dem BVHI, dafür ein ganz großes Kompliment an das EUHA-Präsidium. So werden wir hier noch einige spannende Vorträge von Leuten aus der Industrie hören, die gewöhnlich eher hinter den Kulissen agieren. Das freut mich, und ich hoffe, dass wir damit wieder mehr Attraktivität in den Freitagnachmittag hineinbekommen.
Herr Honsig, wir danken Ihnen für das Gespräch.