Martin Heierle (Sonova Deutschland GmbH) und Martin Grieder (Sonova AG) im Gespräch: „Die Menschen in deren Herzen berühren”
Das Team von Phonak wertet die Industrieausstellung zum 64. Internationalen Hörakustiker-Kongress als großen Erfolg. Es wurden nicht nur viele gute Gespräche geführt und unter der Überschrift „Marvel 2.0“ Neuheiten präsentiert.
Der Hersteller wies auch auf ein lukratives Marktpotenzial hin. Was es damit auf sich hat, darüber sprachen wir mit dem Geschäftsführer der Sonova Deutschland GmbH, Martin Heierle, sowie mit Group Vice President Hearing Instruments Marketing der Sonova AG, Martin Grieder.
Herr Heierle, Herr Grieder, Phonak wirbt hier auf der Fachausstellung zum 64. Internationalen Hörakustiker-Kongress dafür, dass sogenannte „2014er Potenzial“ zu nutzen. Sie rechnen demnach mit vielen anstehenden Folgeversorgungen bei jenen Menschen, die sich ab Ende 2013 haben versorgen lassen?
Heierle: Wir unterstützen unsere Partner, die Hörakustiker, mit ihren Kunden den nächsten Schritt zu gehen. 2014 sind im Vergleich zum Vorjahr 40 Prozent mehr Menschen mit Hörgeräten versorgt worden. Das ist nun bald sechs Jahre her. Und in dieser Zeit ist technologisch sehr viel passiert. Vor sechs Jahren haben sich die Menschen noch mit Geräten versorgen lassen, die mit Batterien laufen – für die bedeuten Akku-Lösungen einen ganz neuen Komfort. Oder nehmen Sie die Konnektivität. Heute hat man die Möglichkeit, das Mobiltelefon in der Tasche stecken zu lassen und freihändig telefonieren zu können. Dazu kommt die Möglichkeit des Streamens sowie das bessere Sprachverstehen in anspruchsvollen Situationen mit „Roger Direct“ – das sind alles neue Möglichkeiten, die einen klaren Endkundennutzen bringen. Darüber können wir, zusammen mit den Hörakustikern, die Menschen, die sich vor sechs Jahren haben versorgen lassen, nun informieren und so zurück in die Fachgeschäfte bringen. Dort erleben diese Menschen und auch deren Angehörige dann idealer Weise den „Phonak Marvel Magic Moment“. Nicht zu vergessen sind hier natürlich auch die sechs Millionen Menschen in Deutschland, die zwar einen Hörverlust haben, sich aber noch nicht haben versorgen lassen. Da ist unser Ziel, den Weg zum Hörakustiker leichter zu machen.
Und dabei setzen Sie darauf, dass zumindest diejenigen, die sich 2013/14 haben versorgen lassen, offen sind für neue Hörsysteme?
Heierle: Was hier außerdem sehr wichtig ist: Es gibt keinen Anspruch, nach sechs Jahren automatisch wieder eine Zuzahlung von der Krankenkasse zu erhalten. Allerdings ist es gewissermaßen Usus geworden, dass viele Krankenkassen nach sechs Jahren wieder eine Zuzahlung gewähren. Nun sind viele Menschen mit ihren Hörgeräten natürlich weiterhin zufrieden. Darum ist es auch so wichtig, dass diese Kunden informiert werden, welche neuen Nutzen sie erhalten könnten. Wie gesagt, in den sechs Jahren ist technologisch viel passiert. Bei Phonak arbeitete man vor sechs Jahren mit der „Quest“-Technologie. Der Sprung ist also sehr groß und würde vielen mehr Lebensqualität bringen.
Und wie genau unterstützen Sie hierbei Ihre Partner?
Heierle:Unsere Empfehlung lautet: „Nutzen Sie das 2014er Potenzial – gehen Sie gemeinsam mit Ihren Kunden den nächsten Schritt“. Um die Endkunden darauf aufmerksam zu machen braucht man sicherlich mehrere Kontaktpunkte wie zum Beispiel einen Tag der offenen Tür, Anschreiben oder Service-Gespräche. Zudem werden wir einen zweiten aussagestarken Fernsehspot schalten, der auf ARD, ZDF und Sat 1 zu besten Zeiten zu sehen sein wird. Darin werden wir auch auf das Thema Konnektivität eingehen, indem die beiden Damen über das Thema Musikhören vom Mobiltelefon sowie über das Telefonieren und Fernsehen gucken reden. In dem Spot werden wir auch wieder auf unsere Landingpage verweisen, wo Interessierte sich informieren und ihre Postleitzahl eingeben können, um zu erfahren, wo es bei ihnen in der Nähe Hörakustiker gibt, die „Phonak Marvel“ führen. Begleitet wird die TV-Kampagne von einer Social Media-Kampagne, denn uns als Phonak ist es auch ein großes Anliegen, Menschen mit Hörminderung darüber zu informieren, welche Möglichkeiten es für die beste Hörgeräteversorgung gibt. Wir haben da wirklich ein unschlagbares Paket für unsere Partner geschnürt. Das enthält zum Beispiel ein Bestandskundenmailing, das man als Akustiker auch im Rahmen der eigenen Marke versenden kann, des Weiteren bieten wir an, einen Tag der offenen Tür mit Personal und Demonstrationsmaterial zu begleiten. Zudem werben wir dafür, dass die Betroffenen auch Menschen aus ihrem Umfeld mit ins Fachgeschäft bringen, so dass auch die erleben und verstehen, was der Nutzen ist. Wir wollen die Menschen schließlich in deren Herzen berühren und zeigen, was der Nutzen für deren Alltag bedeuten kann.
Wenn Sie sagen, dass die Folgeversorgung technologisch ein großer Sprung ist: Welcher der Punkte, die Sie eben nannten, ist Ihrer Meinung nach das verkaufsträchtigste Argument?
Heierle: Nach dem, was ich von unseren Partnern höre, sind das zwei Punkte: Zum einen klar das Thema Konnektivität. Das freihändige Telefonieren, die Anbindung an andere Geräte, so dass man die Hörsysteme wie Kopfhörer nutzen kann, spricht viele an, vor allem Neukunden. Für Bestandskunden, die bereits über Erfahrung mit Hörsystemen verfügen, ist hingegen ganz klar das Akku-Thema ein wichtiger Punkt. Das haben wir auch wissenschaftlich untersucht.
Da Sie die Akku-Lösungen ansprechen: Wie wird von Ihnen eigentlich das Recycling der Akkus gehandhabt?
Heierle: Wenn es zu einer Folgeversorgung mit Akku-Geräten kommt, wird unser Partner, der Hörakustiker, die Geräte zurücknehmen und an uns zurückschicken. Wir kümmern uns dann um die fachgerechte Entsorgung.
Bleiben wir noch bei dem Thema. Inzwischen ist die Form des Akkus ja auch flexibler. Gedenken Sie, diese Möglichkeit ebenfalls zu nutzen?
Grieder:Wir schauen uns laufend neue Möglichkeiten auch im Bereich Formfaktor an. Durch diese neue Möglichkeit gibt es nun eine Flexibilität, hier künftig kreativer werden zu können. Wann es entsprechende Produkte dazu geben wird, werde ich natürlich noch nicht bekanntgeben.
Mit welchen Erwartungen sind Sie außerdem zum diesjährigen Kongress gereist? Sie hatten kurz vor Kongressbeginn ja bekanntgegeben, dass bereits über eine Million Phonak Marvel verkauft wurden …
Heierle: Über diesen Erfolg freuen wir uns natürlich riesig. Und mit der Bekanntgabe möchten wir all unseren Partnern, den Akustikern, Danke sagen für das Vertrauen, das sie uns gegeben haben, indem sie unsere Produkte in ihre Beratung integriert und ihren Kunden so die Wahl gegeben haben, auch unsere Produkte nutzen zu können. Hier am Stand nutzen wir die Gelegenheit natürlich auch, persönlich Danke für die Zusammenarbeit zu sagen.
Die Millionenmarke müssten Sie demnach in etwa zehn Monaten erreicht haben …
Heierle: Ja, und wenn man bedenkt, dass der weltweite Hörgerätemarkt bei 15 bis 16 Millionen liegt, ist diese eine Million für uns eine große Sache. Was außerdem dazukommt: „Phonak Marvel“ hat auch einige Preise gewonnen.
Grieder:Zuletzt den „Medical Media & Marketing Award“, eine sehr prestigeträchtige Auszeichnung im Bereich des medizinischen Marketings. Diese Preise sind für die Teams, die an dem Produkt gearbeitet haben, auch noch mal eine super Anerkennung. Zudem zeugt das von dem Marketing-Mix, den wir fahren, sowie von dem Produkt. Hier kommt einfach alles gut zusammen. Bei Preisen wie dem „Medical Media & Marketing Award“ wird ja nicht allein die Kreativität der Kampagne bewertet, der geschäftliche Erfolg spielt ebenfalls eine Rolle.
Sie präsentieren hier auf der Industrieausstellung „Marvel 2.0“. Wie fassen Sie die Vorzüge und Neuerungen zusammen?
Heierle: „Marvel 2.0“ hat einige wichtige Aspekte. So bieten wir nun, im Zusammenspiel mit „Roger Direct“, noch mehr Hörleistung. Es gibt ja einfach sehr schwierige Hörsituationen, angefangen bei Familienfeiern. Auch für aktive Menschen, die viel auf Reisen gehen, die Reiseführungen machen, bei denen man gut hören können muss, wäre „Roger Direct“ eine Lösung – genau wie für Menschen, die noch im Berufsleben stehen und zum Beispiel Sitzungen abhalten. Für all die bieten wir nun mit unserem externen Mikrofon „Roger Select iN“ eine Lösung für Situationen, in denen es viel Umgebungslärm gibt. Da kann man als Hörgeräteträger nun das Mikrofon auf den Tisch legen, und es sendet den Ton direkt auf die Hörsysteme. Der Vorteil hierbei ist, dass man keinen Funkempfänger auf die Hörgeräte stecken muss.
Grieder:Außerdem ist es rückwärtskompatibel zu allen bereits angepassten „Marvel“-Geräten. Man braucht dafür lediglich das Software-Update zu machen. Und auch mit Hörsystemen von Wettbewerbern lässt sich das „Roger Select“-Mikrofon nutzen, wenn man sich einen Funkempfänger auf die Geräte steckt.
Heierle:„Roger“ ist also universell, was uns sehr wichtig war. Wir haben gegenüber Menschen mit Hörminderung ja eine Verantwortung. Und wenn jemand mit dem Produkt eines Mitbewerbers glücklicher ist, dann wollen wir nicht blockieren, dass auch er von der tollen „Roger“-Technologie profitieren kann.
Wenn Sie „Marvel“ als Premium-Gerät bewerben, das eben auch sehr gutes Sprachverstehen bietet, wie erklären Sie dann, dass man für bestimmte Situationen doch noch ein bestimmtes Zubehör benötigt?
Heierle: Um unsere Partner in der Argumentation zu unterstützen haben wir einen Beratungsleitfaden entwickelt, der einen im Beratungsprozess unterstützt. In einem guten Beratungsgespräch macht man ja auch die Anamnese und fragt etwa, in welchen Situationen die Nutzer Probleme haben. Und hier sagen 48 Prozent, dass sie sich in schwierigen, also lärmigen Situationen und beim Hören über Distanz mit mehreren Sprechern besseres Sprachverstehen wünschen. Kommen diese Bedürfnisse im Gespräch zutage, empfehlen wir, dem Kunden für diese Situationen zu „Phonak Marvel“ in Kombination mit einer „Roger“-Lösung zu raten. Das wäre noch mal eine Ergänzung zur T-Spule, die wir nun auch in einem „Audéo Marvel“-Gerät zusammen mit der „Roger“-Anbindung anbieten, so dass man sogar beide Optionen haben kann.
Neben der „Roger“-Anbindung: Was ist außerdem neu bei Marvel 2.0?
Heierle: Wir haben nun auch eine größere Auswahl. Begonnen haben wir bei „Marvel“ ja mit einem RIC-System in vier Preispunkten. Nun ist „Roger Select“ hinzugekommen sowie eine Fernbedienung als Ergänzung. Außerdem haben wir mit dem „Bolero Marvel“ jetzt auch ein Schlauchsystem. Und schließlich bieten wir die „Marvel“-Technologie nun auch für die Kinderversorgung an. Damit profitieren jetzt auch die kleinen Ohren von dieser wunderbaren Technologie.
Grieder:Gerade für Kinder ist der Nutzen in Verbindung mit „Roger Direct“ zum Beispiel in den Schulen sehr groß. Zudem kommt hier unser spezielles „SkyAutoSense OS“ zum Einsatz, das extra für die Pädakustik entwickelt wurde.
Heierle: Und das richtet sich auch am Alter der Kinder aus, denn ein Baby hat ein anderes Hörbedürfnis als ein Kleinkind. Insgesamt umfasst das neue „Sky“-Portfolio nun neue ex-Hörer-Geräte, Schlauchsysteme, wiederaufladbare Geräte – alles in verschiedenen Technologiestufen, so dass man wirklich jedem Hörbedürfnis eines Kindes nachkommen kann.
Wechseln wir das Thema. Auch in der Hörbranche wird mehr und mehr über künstliche Intelligenz gesprochen. Einige Ihrer Mitbewerber reden schon recht viel darüber, von Phonak haben wir hierzu bisher eher wenig vernommen. Warum das?
Grieder: Wir nutzen bei der Sonova schon seit Jahren künstliche Intelligenz. „AutoSense OS“ zum Beispiel baut darauf auf; die Optimierung dieser Algorithmen basierend auf künstlicher Intelligenz. Das läuft aber eher im Hintergrund. Dazu kommt, dass wir im Marketing nicht über etwas reden möchten, was keinen ganz klaren und direkten Kundennutzen hat. Aber natürlich glauben auch wir stark daran, dass uns künstliche Intelligenz künftig einen großen Schritt nach vorne bringen wird, vor allem mit Blick auf die Hearing Performance und auf Sprache im Störlärm. Daran arbeiten wir auch schon und haben Projekte initiiert, die den Markt zum richtigen Zeitpunkt erreichen werden.
Wie wir hörten, hat die Sonova jüngst ein Berliner Start-up übernommen, das sich mit dem Thema Sprache im Störlärm beschäftigt. Was können Sie uns darüber sagen?
Grieder: Auch das haben wir nicht an die große Glocke gehängt. Aber ja, wir haben eine sehr interessante Firma in Berlin akquiriert, die im Bereich Sound und künstliche Intelligenz weltweit führend ist. Das ist sehr erfolgversprechend. Und auch hier geht es um Hearing Performance. Ein weiteres Thema, an dem wir natürlich ebenfalls arbeiten, ist die Sensorik. Für uns ist klar, dass in Zukunft auch Sensoren in Hörgeräte eingebaut werden, denn am Ohr kann man sehr gut gewisse Vitalfunktionen messen. Integriert man Sensoren in Hörsysteme, wird es also zu einem breiteren Angebot an Dienstleistungen für den Nutzer kommen. Was man aber bei all dem nicht vergessen darf: Kunden kaufen Hörgeräte, um besser hören zu können, und nicht, um damit Schritte zu zählen oder den Blutdruck zu messen. Daher liegen unsere Prioritäten weiterhin klar in der Audiologie
Herr Grieder, Herr Heierle, wir danken Ihnen für das Gespräch.