Hörakustikmeister Fabian Böhm über Social Media-Marketing
Immer mehr Hörakustikfachbetriebe setzen bei der Endkundenkommunikation auf Social Media.
Ein Betrieb, der bereits mit der Betriebsgründung auf diese Kommunikations- und Marketingmittel setzte, ist BÖHM-Hörakustik aus Pforzheim. Im Gespräch mit Audio Infos erklärt der Inhaber Fabian Böhm, welche Vorteile und Synergien sich durch Social Media erzielen lassen.
Herr Böhm, Sie sind gelernter Goldschmied, haben über ein Otoplastiklabor den Weg in die Branche gefunden, bildeten sich über einen großen Filialisten zum Hörakustik-Meister fort und gründeten schließlich vor fünf Jahren Ihren eigenen Betrieb. Was veranlasste Sie dazu, mit Betriebsgründung sofort das Thema Social Media anzugehen?
Das hat zwei Gründe. Zum einen habe ich vor über zehn Jahren begonnen, über Facebook eine Künstlerseite aufzubauen. Ich mache privat viel Musik. Das habe ich später dann mit YouTube, Twitter und Instagram ausgebaut. Der zweite Grund hat mit meiner Berufserfahrung und meinem persönlichen Hintergrund zu tun. Als Sohn eines Elektromeisters weiß ich seit Kind an, was es bedeutet, selbständig zu sein. Als ich vor fünf Jahren den Entschluss für die Gründung von BÖHM-Hörakustik getroffen habe, war daher für mich klar, dass ich keinesfalls den in der Branche üblichen Marketingkonzepten nachhängen werde. Ich wollte von diesem traditionellen Stil weg und etwas Mediales aufbauen.
Wenn ich mich recht entsinne, dann haben Sie damals als Junggründer auch mit den Mega-Screens gleich zu Beginn einen ungewöhnlichen Marketingstil eingeschlagen. Warum war Ihnen der Punkt Marketing von Beginn an so wichtig?
Wenn man als Ein-Mann-Betrieb startet, keinen Bekanntheitsgrad besitzt und in einer von Filialisten dominierten Stadt lebt, dann ist aus meiner Sicht eine regional bezogene Sichtbarkeit entscheidend. Ich hatte das Glück, dass sich direkt neben dem Geschäft einer von zwei Mega- -Screens in Pforzheim befindet. Warum sollte ich das nicht zu meinem Vorteil nutzen? Natürlich erreicht man einen ähnlichen Effekt mit Zeitungsanzeigen. Doch das kennt man. Und durch meine Affinität zur Musik war ich es ja gewohnt war, ganz andere Wege zu gehen.
So gesehen lag die Idee mit Social Media nahe …
Ja, denn Social Media ist nicht kompliziert. Im Gegenteil, es ist einfach. Man startet und es geht dann automatisch los. Angefangen habe ich tatsächlich mit meinem YouTube-Kanal. Mir liegen visuelle Dinge näher, und es gelingt dadurch auch besser, Geschichten und Storys darzustellen. Und da war der erste Schritt natürlich der, einen Imagefilm über den Betrieb zu machen. Wie sieht der Betrieb aus und was charakterisiert diesen? Schließlich schreibt jeder Betrieb so seine Geschichte. Das habe ich natürlich relativ früh mit Facebook vernetzt. Später kam dann noch Instagram dazu, da Facebook und Instagram ja wunderbar miteinander vernetzbar sind.
Sind solche Kanäle nicht nur etwas für junge Leute?
Auf den ersten Blick denkt man das immer. Wenn man aber genauer hinblickt, staunt man, wie viele Unternehmen dort aktiv sind. Was mich jedoch bis heute wundert, ist, dass das in der Hörakustikbranche kaum der Fall ist. Insofern ist es wichtig, dass man heute anfängt und nicht erst in zehn Jahren. Denn wer sich zu spät einen Namen aufbaut, der muss diese Sichtbarkeit erst erreichen.
Was heißt Sichtbarkeit?
Das bin ich gerade am Anfang oft von Kollegen gefragt worden. Warum investierst du so viel Zeit in YouTube? Was bringt dir das? Sichtbarkeit bedeutet nicht, eine Homepage ins Netz zu stellen. Wer klickt die schon an? Das ist maximal eine Visitenkarte. Viel genialer ist es, wenn man den Menschen gleichzeitig die Möglichkeit bietet, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Denn damit gibt man dem eigenen Unternehmen ein Gesicht. Es macht einen Unterschied aus, wenn uns Kunden aufsuchen und sagen: „Herr Böhm, ich verfolg Sie! Was Sie auf Instagram posten, zeigt Ihre Motivation und Begeisterung“. Das ist Sichtbarkeit und auch das Spannende daran für mich. Und in diesem Punkt wollen wir als BÖHM-Hörakustik nichts anderes sein als authentisch. Aus diesem Grund streichen wir aus dem Begriff Social Media auch das „Media“ raus. Wir sind Social. Ein springender Punkt, wie ich meine.
Ihnen geht es also um die Interaktion mit den Menschen, die sich auf Ihren Kanälen bewegen?
Ganz genau, wir suchen gezielt den Kontakt. Natürlich verlagern wir die Kommunikationsebene sehr schnell und wechseln auf E-Mail. Entscheidend ist aber der Kontakt zum Kunden. Das muss man sich erst einmal bewusst machen. Es geht darum, die Online-Welt mit der Offline-Welt zu vernetzen. Wenn man einen Kommentar über Social Media erhält, dann gleicht das praktisch einer Ansprache seitens des Kunden! Läuft man nun Weg oder sucht man das Gespräch, frage ich Sie.
Ich vermute, dass die meisten wahrscheinlich darauf verzichten, auf ein Like zu reagieren.
Genau, doch das Gegenteil ist richtig. Je schneller man darauf reagiert – der Kunde klingelt ja praktisch an der Tür – umso positiver nehmen das die Leute auf. Darin besteht meiner Meinung auch der Grund, weshalb die Social Media-Kanäle in den letzten fünf Jahren so stark gewachsen sind. Mein Vorteil ist nun: Durch die getätigte Interaktion erkennt das der Algorithmus der jeweiligen Kanäle, also wird man nicht nur sichtbarer für Abonnenten, sondern auch für Nichtabonnenten. Es ist ein ganz einfaches Spiel. Je interaktiver man ist, desto sichtbarer wird man auf einer Plattform.
Wie drückt sich Ihr Marketingerfolg aus?
Momentan besitze ich ja erst ein Hörstudio. Dennoch haben wir beispielsweise unseren YouTube-Kanal mit zahlreichen Erklär-Videos ausgestattet und so viele Abonnenten gewonnen. Ich betone: Abonnenten. Denn ich sehe natürlich auch, wie viele Personen, sich meine Videos anschauen. Zum Beispiel über die Phonak-App. Allein das Video hat 6.000 Views, 35 Kommentare von Endverbrauchern und mehrere Anrufe aus ganz Deutschland erhalten. Ich habe aber auch ein Video erstellt, das fünf Tipps für den Kauf von Hörsystemen gibt. Empfehlungen also, die man vor dem Kauf von Hörsystemen beachten sollte. Das haben sich über 12.000 Viewer angeschaut. Und das tolle ist, dass dieses Video bei Youtube an zweiter Stelle angezeigt wird, ich aber nichts dafür zahle.
Etwas, was man eigentlich nur durch Bewerbung erreichen kann …
Ich habe das, versprochen, nie beworben und keinen Euro dafür in die Hand genommen, um dieses Video dort oben zu platzieren. Das macht der Suchbegriff selbst. Man muss halt ein wenig darüber nachdenken, welchen Suchinhalt das Video haben soll und was potentielle Kunden möglicherweise suchen, bzw. was sie interessiert oder anspricht.
Ein Video lediglich online hochzuladen, bringt also relativ wenig.
Korrekt. Und Ziel ist es auch nicht, durch online- oder telefonische Beratung direkt Profit zu realisieren. Es geht vorwiegend darum, Sichtbarkeit und Reichweite zu erzielen, um wahrgenommen zu werden. Das erzeugen wir durch die vielen Informationen, die wir den Viewern als Mehrwert schenken, und erhalten hierfür einen unheimlich großen Vertrauensvorschuss. Und das ist letztlich der Grund, weshalb die Kunden den Weg in den Laden finden. Durch den inneren Vertrauensvorschuss in unsere Arbeit ist auch das Vertrauen in unsere Expertise bereits sehr groß.
Das heißt aber auch, gewisse Geschäftsabläufe werden darüber abgewickelt?
Richtig. Ein Beispiel. Ich habe unter anderem eine Facebookgruppe gegründet, die sich „Böhm Hörakustik Community“ nennt. Dort haben sich 40 Kunden versammelt, also Eltern von schwerhörigen Kindern mit CI, CI-Träger, aber auch normale Kunden, die sich so regelmäßig austauschen, informieren und diskutieren. Das muss man nicht, aber viele wollen es einfach.
Kommt das Thema Social Media auch bei der Beratung zur Sprache?
Selbstverständlich. Jeder Kunde wird zu Beginn gefragt, wie er zu uns gekommen ist und ob er in den sozialen Medien unterwegs ist. Das tolle dabei ist, dass jede Antwort hilft. Entweder kennen Kunden Social Media bereits oder man erhält die Frage, was das überhaupt ist, und erzeugt so Neugier. Zwar ist nur einer von zehn dort wirklich aktiv. Doch wenn ein Kunde mit Face- bookprofil dabei ist, entstehen weitere Vorteile. Zum einen kann ich mir einen Fragebogen fast schon sparen, da darüber der gesamte Alltag ersichtlich wird: Skatgruppe, Fotos vom Chor, Urlaubsreisen, etc. Auch erhält man viel mehr Informationen als mit einem Fragebogen. Und nicht zuletzt baut man viel schneller eine Bindung zum Kunden auf, weil der Kunde sein Leben sieht und vor Augen geführt bekommt, wie sichtbar und vielfältig das eigene Leben doch ist.
Können sich Kunden untereinander vernetzen?
Klar, das ist ja das Schöne und ein weiterer Grund, weshalb wir lediglich den Begriff Social nutzen. Es baut sich eine eigene Kommunikation(skanal) auf. Beispielsweise eine Mama, die Fragen über ihr Kind in die Facebookgruppe stellt und sich so jemanden sucht, der in der gleichen Situation steckt.
Also das, was die DCIG mit viel Aufwand durch regionale Stammtische versucht zu erreichen, nämlich das Betroffene und Angehörige zusammenfinden, generieren sie automatisch mit.
Unter anderem. Da greifen viele Rädchen ineinander. Teils bekommen wir das noch nicht einmal mit, weil ja die Kunden selbst auf mehreren Plattformen unterwegs sind. Und natürlich ist es auch so, dass durch die Verbreitung meiner Aktivitäten nicht jeder automatisch in meinem Geschäft landet. Das will ich auch gar nicht, ich will ja realistische Kunden. Doch unabhängig davon, ob Kunden selbst aktiv sind oder nicht: Diejenigen, die BÖHM-Hörakustik aufsuchen, verstehen sofort die persönliche Nähe und Kompetenz, die unser Betrieb ausstrahlt. Warum sollten diese Kunden einen Preisvergleich anstellen? Um zwei oder dreihundert Euro zu sparen? Wenn aber der Kunde weiß, dass dort keine Persönlichkeit herrscht, kein konstanter Ansprechpartner zu finden ist und er nicht einmal auf andere Stimmen zurückgreifen kann, um es mit den eigenen Erfahrungswerten abgleichen, dann bin ich mir sicher, dass seine Entscheidung eindeutig ausfällt.
Was ist mit den Inhalten, die in ihrer Community gepostet werden? Haben Sie nicht Bedenken, dass die missbraucht werden? Schließlich haften Sie hierfür.
Da habe ich keine Bedenken. Wir haben noch nie irgendeine negative Erfahrung gemacht. Kein Shitstorm, keine schlechten Einträge, nichts. Und falls doch irgendwann einmal etwas kommen sollte, ist es immer eine Frage, wie man damit umgeht. Das würde bedeuten, dass man mit der Person schreibt und nachhakt, was los ist. Das ist, so glaube ich, entscheidend, weil die Person dann womöglich erkennt, dass man ihn ernst nimmt.
Lohnt sich denn das Ganze auch finanziell? Schließlich ist das ein unheimlich großer Aufwand, den sie betreiben, oder?
Zunächst einmal sprechen wir hier über einen langfristigen Ansatz, der sich so schwer mit eingefahrenen Marketinginstrumenten vergleichen lässt. Ich gebe zu, dass Social Media zu Beginn sehr zeitintensiv ist. Das gilt allerdings für alle neuen Dinge im Leben. Am Anfang kennt man die Abläufe nicht; mit der Zeit gewinnt man jedoch Routine. Rein finanziell gesprochen sehe ich aber eher Vorteile. Überlegen Sie mal, wieviel Geld ein normaler Betrieb allein für Zeitungsannoncen ausgibt. Da kommt man über das Jahr gesehen leicht auf fünfstellige Summen. Und da sind Grafiker, Gemeindeblatt und andere Ausgaben nicht einberechnet. Aufgrund der Umsätze, die in der Branche gemacht werden, funktioniert das ja auch. Viele kennen aber auch nichts anderes.
Wie stark beziehen Sie Ihr Team in die Social Media Aktivitäten mit ein?
Im Grunde genommen beteiligt sich jeder. Es geschieht halt auf unterschiedliche Weise. Das kann auf Kundenebene geschehen, wie etwa bei der Beratung, aber auch durch Beteiligung in den Videos. Mit Annabelle Mettler haben wir zudem eine offizielle Social Media Beauftragte, die sich vier Stunden in der Woche mit nichts anderem beschäftigt, als mit dem Konzept Social Media BÖHM-Hörakustik. Sie antwortet auf Anfragen, kreiert Posts, schreibt Texte, macht Bilder und entwirft gemeinsam mit mir Konzepte.
Müssen Sie auch die Datenschutzrichtlinien beachten?
Die Angst besteht zu Beginn bei vielen, die mich fragen. Aber auch das ist halb so wild. Da reicht ein Zweizeiler in einer Einladung, in der festgehalten wird, dass zu der jeweiligen Veranstaltung Foto- und Videografen anwesend sein werden. Wer nicht in dem Video erscheinen möchte, wird gebeten, sich vor Veranstaltungsbeginn an uns zu wenden. Bis heute hat sich nicht eine Person bei mir gemeldet. Im Gegenteil. Die Videos, die unter anderem ganzjährig im Laden laufen, erzeugen bei unseren Kunden eine große Freude, weil sie sich dort sofort wiedererkennen und sehen, dass sie Teil des Ganzen sind. Und das ist wieder Vernetzung und Social. Aber klar: Ein unternehmerisches Restrisiko bleibt immer, wenn nicht mit jedem Kunden etwas Schriftliches vereinbart wurde. Letztendlich ist jeder für seine Inhalte selbst verantwortlich.
Social heißt also, dass alles, was Sie innerhalb des Geschäftes an Aktivitäten erzeugen, auch wieder direkt in das Geschäft reintragen?
Ja, wenn man so will, alles ist mit allem verzahnt.
Und letztlich schafft man sich damit eine Marke und einen Namen?
Richtig. Und das, obwohl man, wie ich, vielleicht nur ein Hörstudio hat oder erst seit ein paar Monaten Unternehmer ist. Man schafft sich eine eigene Marke, an der keiner mehr so leicht vorbeikommt. Insbesondere wenn die Menschen verstehen sollen, dass man auf Qualität setzt, man inhabergeführt ist oder ein Familienbetrieb darstellt, dann ist das meiner Meinung nach unerlässlich. Die Kunden suchen doch gerade den persönlichen Bezug. Warum soll man das den Menschen vorenthalten? Deshalb bin mal so frech: Wer heute in Pforzheim auf eine hochwertige Hörversorgung Wert legt, weiß, wohin er zu gehen hat. Denn wir sind eine regionale Marke! Aus diesem Grund fahren wir unser „klassisches Marketing“ auch so langsam herunter.
Im letzten Jahr haben Sie mit Ihrem Brand „Fabian Böhm, Social-Media-Coach für Hör- akustik und Optik“ richtig losgelegt. Wie soll es nun weitergehen?
Das stimmt. Daraufhin ist die Deutschland Niederlassung von Phonak auch auf mich zugekommen und fragte mich, ob ich meine Idee nicht auf der aktuellen Roadshow zeigen möchte. Das hat sehr viel Spaß gemacht und war gleichzeitig Anstoß zu meinem neuen Projekt. Ich möchte meinen Weg Social Media für andere Akustiker und Optiker adaptierbar und zugänglich machen. Das habe ich bereits zu einem Business Tool zusammengefasst und hierfür ein 33-teiliges Videopodcast-Format mit Workbook, einer Schritt-für-Schritt-Anleitung und Hintergründen aufgebaut. Dazu habe ich drei attraktive Bundles in unterschiedlichen Größen entwickelt. Wer wirklich einsteigen will, erhält von mir und meinem Videograf noch zusätzlich WhatsApp-Support sowie drei Zoom-Calls, bei denen wir uns dann gemeinsam die Entwicklung in den ersten drei Monaten anschauen werden. Denn mittlerweile bin ich an dem Punkt gekommen, an dem ich der Branche etwas zurückzugeben möchte.
Herr Böhm, wir bedanken uns für das Gespräch!