MED-EL: „Samba 2 – Hören leicht gemacht“
Ausgestattet mit der neuesten Chip-Plattform verspricht Samba 2, der für das Mittelohrimplantat Vibrant Soundbridge und das Knochenleitungsimplantat Bonebridge geeignet ist, ein deutlich besseres Sprachverständnis, ein schlankeres und leichteres Design sowie eine einfachere Handhabung. Audio Infos sprach direkt nach der Präsentation mit Raymond Mederake, Leiter Technik- und Produktmanagement bei MED-EL Deutschland.
Herr Mederake, Sie haben soeben den neuen Audioprozessor Samba 2 online vorgestellt. 411 Teilnehmer waren in der Spitze dabei. Zufrieden?
Ja, aus unserer Sicht ist das völlig in Ordnung. Selbstverständlich haben wir deutlich mehr Einladungen verschickt, doch nach den Coronawochen staut sich der Terminkalender nicht nur bei uns. Bedenkt man, dass es sich um einen internationalen Launch handelt, der mehr als eine Ankündigung des Samba 2 zu verstehen ist und unter besonderen Umständen stattfand, war das ein erfolgreicher Start. Außerdem rechnen wir damit, dass viele sich das Video im Nachhinein noch anschauen werden. Für uns gilt es nun die Einführung des Samba 2 für den deutschen Markt vorzubereiten.
Welche zentralen Neuerungen bietet der Samba 2 gegenüber seinem Vorgängermodell?
Mit der Entwicklung des Samba 2 haben wir zwei vorrangige Ziele verfolgt. Zum einen sollte er so designt werden, dass die Handhabung des Audioprozessors so einfach wie möglich ist, zum anderen sollte er den Nutzern die Möglichkeit bieten, in verschiedenen Hörsituationen noch besser zu hören.
Jetzt haben sie gleich zwei Neuheiten angedeutet. Beginnen wir mit dem Design. Inwiefern macht das neue Design einen Unterschied aus?
Sichtbar wird dies an vielen kleinen Punkten, die verbessert wurden. So erhielt der Samba 2 ein neues und praktischeres Batteriefachsystem, ein neues Clipping-System sowie neue Design-Abdeckungen. Samba 2 wiegt gerade mal ein bisschen mehr als neun Gramm und das Gehäuse misst an seiner höchsten Stelle 10,2 mm. All diese Punkte führen dazu, dass mit Samba 2 der Komfort für den Träger deutlich steigt.
Sie lieferten mit dem Online-Launch stets das Motto „Simplicity“ mit. Was bedeutet „Simplicity“ für den Nutzer?
Simplicity, auf Deutsch Einfachheit. Es ist die Einfachheit, die Samba 2 ausmacht. Die Einfachheit, sich diesen aufzusetzen und damit zu bewegen und den ganzen Tag zu hören. Darüber hinaus hat der Samba 2 eine deutliche Lern- entwicklung hingelegt, insbesondere was die Erkennung der verschieden Hörsituationen und vor allem was die Lärm- bzw. Störgeräuschunterdrückung anbetrifft. Der Prozessor ist nun in der Lage in herausfordernden Situationen Störgeräusche zwischen einzelnen Wörtern fast vollständig zu eliminieren.
Und das kommt durch die neue Chip-Plattform zu Stande?
Genau, die neue Chip-Plattform für den Samba 2enthält unter anderem eine neue Version des Intelligent Sound Adapters, die zwischen sechs verschiedenen Szenarien differenzieren kann. Vorher war es für Samba nur möglich vier verschiedene Szenarien zu erkennen. Der aktuelle Intelligent Sound Adapter ist zudem in der Lage zu lernen, was der Samba 2-Nutzer in verschiedenen Situationen einstellt, um diese Veränderungen später automatisch vorzunehmen. Wenn der Nutzer also eine bestimmte Musiklautstärke hört, dann merkt sich der Prozessor die und stellt sie in dieser Hörsituation automatsch ein.
Das dürfte auch Auswirkungen auf das Speech-tracking gehabt haben.
Dadurch, dass der Intelligence Sound Adapter noch einmal intelligenter geworden ist und die verschiedenen Szenarien von ihm besser erkannt werden können, ist Speechtracking nun fähig, die Mikrofonausrichtung in einem Auto automatisch optimal auszurichten. Ist der Samba-Träger am Steuer eines Autos, dann lassen sich zum Beispiel die Mikrofone nach hinten ausrichten, sollte dort jemand sitzen. Befindet sich währenddessen nur eine Person seitlich, so kann Speechtracking die Mikrofone omnidirektional, also in alle Richtungen, ausrichten. Das war vorher ebenso noch nicht möglich.
Haben sich die adaptiven Direktionalmikrofone denn irgendwie verändert?
Was die Mikrofontechnologie selbst betrifft, so haben wir uns natürlich der neuesten Generation bedient. Das ist aber nicht das Hauptmerkmal. Die Verbesserung, die man erreicht hat, liegt in einer Verbesserung dieses intelligenten Systems.
Gibt es Samba 2 eigentlich als Akkuversion?
Der Samba 2 ist besonders nutzerfreundlich und so konzipiert, dass er 8 bis 10 Tage läuft, ohne dass die Batterie gewechselt werden muss. Hier empfehlen wir meist Power One Implant Batterien. Eine explizite Akku-Version bieten wir nicht an.
Ist Samba 2 mit T-Spule ausgestattet und mit FM-Systemen ankoppelbar?
Die gesamte Anbindung findet über das Streaming-Tool „Samba 2 Go“ statt. Samba 2 selbst hat keinen induktiven Empfänger, wie man es von älteren Hörgeräten gewohnt ist. Das verschwindet auch immer mehr, was unter anderem auch damit zu hat, dass induktive Empfänger recht störanfällig sind. Wer diesen Wunsch dennoch besitzt, kann im Zusammenspiel mit dem Samba 2 Go einen induktiven Empfänger verwenden. Samba 2 Go bietet neben einen Euro 3-Pin Anschluss für digitale Miniaturempfänger, die in Schulen oder anderen Einrichtungen verwendet werden, auch die Anbindung an Bluetooth Audiogeräte.
Was ist unter der „Handsfree Funktion“ zu verstehen?
Das zielt vor allem auf die Anbindung mit dem Smartphone oder Handy ab, die freihändiges telefonieren mit dem Samba 2 Go möglich macht.
Das ist jedoch nur über Zubehör möglich. Wieso?
Es ist dennoch “handsfree” und hat folgenden Hintergrund. Für die „Handsfree Funktion“ beim Telefonieren hat Samba 2 Go sogar 2 Mikrofone mit einer Richtcharakteristik – Gespräche werden über die Prozessoren gehört. MED-EL möchte die Laufzeit des Samba 2 für den Träger so lange wie möglich aufrechterhalten. Soll eine Tragedauer acht bis zehn Tage ohne Batteriewechsel möglich sein, dann funktioniert dies nur, wenn wir die Telefonfunktionen nicht direkt über den Prozessor streamen. Der Energieverbrauch wäre ansonsten deutlich höher. Ziel ist es, so lange wie möglich in alltäglichen Hörsituationen zurechtzukommen.
Sicherlich werden derzeit klinische Studien hierzu durchgeführt?
Die In-House-Tests für den Samba 2 sind abgeschlossen. Diese haben bereits eine deutliche Verbesserung im Bereich des Sprachverständnisses im Störlärm gezeigt. Und zwar in einer solchen Größenordnung, die so nicht zu erwarten war. Mit den klinischen Tests beginnen wir aber demnächst schon. Erste Ergebnisse werden für das Ende des Jahres erwartet.
Samba war in der Vergangenheit sowohl für die Bonebridge, als auch für die Soundbridgeeinsetzbar.
Daran hat sich nichts geändert. Entsprechend haben wir auch dafür gesorgt, dass es keine Kompatibilitätsprobleme mit Samba 2 gibt. Das Thema Rückwärtskompatibilität ist für MED-EL generell ein entscheidender Faktor. Unser Bestreben ist, dass alle Nutzer unserer Implantate auch noch Jahre nach Ihrer Implantation von der aktuellsten Audioprozessor-Generation profitieren können.
Zu Samba 2 gehört nun auch eine App. Was macht diese aus?
Samba war zuvor mit einer Fernbedienung ausgestattet, die ein Stück weit reglementiert war. Es ließ sich eine Tastensperre aktivieren und die Programme und Lautstärke verändern. Samba konnte aber nicht mittels App bedient werden. Die App bietet nun die Möglichkeit, nicht nur die verschiedenen Programme auszuwählen, sondern neben der Lautstärke auch den Klang einzustellen. Außerdem kann der Status der Batterien abgefragt werden. Hinzu kommt, dass man die Programme und Lautstärke über Samba 2 Go steuern kann. Samba 2 Go bietet die Unterstützung für viele Bluetooth Protokolle. Das Streamen von Telefonaten und die Anbindung an andere Bluetooth Geräte sind damit kein Problem mehr.
Ist Samba 2 wasserabweisend?
Samba 2 erhält ein neues IP-Rating, das derzeit bei 52 liegt. Sofern die Schutzhülle WaterWear verwendet wird, ist mit den Prozessoren sogar Tauchen unter Wasser möglich. Dennoch ist bei der Verwendung von WaterWear auf aversive Bestandteile im Wasser, wie etwa Chlor oder Salze zu achten. Der Audioprozessor ist mit WaterWear insgesamt aber hervorragend geschützt. Beim Tragen von WaterWear entstehen keine Beeinträchtigungen in der Hörqualität beim Samba 2.
Wie erfolgt die Programmierung des Samba 2?
Die neu entwickelte Symfit 8.0 bietet einen Workflow, der den Anpassprozess von Vibrant Soundbridge und Bonebridge Hörsystemen optimal widerspiegelt. Symfit 8.0 ermöglicht die Messung und Eingabe eines Vibrogramms innerhalb eines Fensters. Hinzu kommt ein Anpass-Assistent für die Unterstützung bei der Verbesserung des Höreindrucks sowie ein Akklimatisierungsmanager, der sukzessive die Programmierung auf das optimale Level anhebt.
Welche Marketingunterstützung bieten Sie Ihren MED-EL Partnern?
Das reine Zurverfügungstellen von Marketingmaterial reicht natürlich nicht aus. Sofern Hör- akustiker auf unsere Produkte geschult wurden, erhalten diese auch zahlreiche Workshops. Sie werden auf Abläufe, wie sie bei MED-EL üblich sind, intensiv trainiert. Es finden aber natürlich auch Vorortschulungen und unterstützende Maßnahmen statt, etwa bei Erstversorgungen. Der Support ist dabei unterschiedlich und sehr breit gefächert. Das Portfolio, das wir dazu anbieten, haben wir deutlich erweitert, vor allem bei unseren Hörakustik Partnern, die bei uns sowieso sehr engmaschig geschult werden. Erst diese Woche haben wir wieder einen Kurs durchgeführt, der ausschließlich für Hörakustiker konzipiert war.
Wie wichtig ist die Rolle des Akustikers aus Sicht von MED-EL?
Der Hörakustiker kennt seine Kunden. Die Problematik, die bei Patienten mit Hörproblemen entsteht, besteht darin, dass diese über die Jahreim Idealfall stabil bleiben – letztlich unterliegt man aber einer Progression. Um die Patienten optimal versorgen zu können, ist es natürlich notwendig, dass Hörakustiker über weitere Versorgungsmöglichkeiten jenseits des klassischen Hörgeräts so gut wie möglich informiert und geschult sind, damit ihre Kunden eine bestmögliche Versorgung erhalten. Ich wünsche natürlich jedem, der ein Hörsystem trägt, dass er so gut und so lange wie möglich zurechtkommt. Dennoch sind Probleme, wie etwa Entzündungen des Gehörgangs, Mittelohrprobleme, Hochtonsteilabfälle, nicht auszuschließen, was dazu führt, dass diese Personen immer schlechter hören. In solchen Fällen hilft oft nur eine Implantatlösung. Das funktioniert natürlich nur in Kooperation, sprich Hand in Hand mit den Hörakustikern und mit den Kliniken. Es ist nur die Versorgungsart, die sich wandelt. Die Versorgung mit Hörgeräten wandelt sich zu einer Versorgung mit aktiven Implantaten. Aber um Ihre Frage zu beantworten, dem Hörakustiker kommt im gesamten Versorgungsprozess eine durchaus wichtige Rolle zu – schließlich ist er für den Nutzer ein kompetenter Berater und Begleiter, auch nach einer Implantation.
Eine Frage zum Schluss. Wie kommt MED-EL eigentlich durch diese Pandemiezeit?
Gerade für Deutschland gilt, dass MED-EL sehr gut durch die Pandemie gekommen ist. Natürlich mussten wir uns auch erst einmal der Situation anpassen. Aber gerade als sich die Kliniken im Leerlauf befanden, haben wir unsere Schulungsaktivitäten deutlich hochgefahren. Wir bieten seit der Corona-Krise jeden Donnerstagmittag Webinare an, in denen verschiedenste Thematiken behandelt werden, wie etwa Implantat- und Prozessor-Technik, OP-Planung oder Informationen zu rechtlichen Aspekten der Implantatversorgung. Wir sind schon mit der zweiten Schulungsreihe gestartet. Die verschiedenen Vorträge wurden von Klinikern aber auch von Hörakustikern rege angenommen. Wir erleben jetzt, dass die selektiven Operationen nachgeholt werden und dass die Kliniken sehr aktiv sind. Über das Jahr gesehen erwarten wir keinen großen Einbruch bezüglich der Implantationszahlen. Dazu kommt, dass unsere Kolleg*innen in Innsbruck die Coronazeit scheinbar gut genutzt haben – der nächste Audioprozessor, diesmal fürs CI, befindet sich bereits in der kontrollierten Markteinführung. Über den Rondo 3 können wir uns dann vielleicht beim nächsten Treffen unterhalten. Und ein großes Dankeschön geht von uns noch an die vielen Hörakustiker, die sowieso fast durchgehend aktiv waren. Sie waren eine große Unterstützung bei der Versorgung und Betreuung unserer MED-EL-Nutzer.
Herr Mederake, wir bedanken uns für das Gespräch!